Eine Reise mit 4 Rädern, 3 Gängen und 50 PS beginnt
Willkommen in unserem Blog!
Hier teilen wir mit Ihnen spannende Fakten und Geschichten rund um Fahrzeuge.
Kürzlich erzählte uns unser Kollege Thomas beim Mittagessen von einer abenteuerlichen Weltreise in einem 50 PS starken Auto aus den goldenen Zwanzigern. Die Geschichte stammt aus dem Buch „Geschichten aus der Geschichte“ von Richard Hemmer und Daniel Meßner*. Wir waren fasziniert und fragten uns, wie eine solche Autoweltreise wohl heute aussehen würde. In diesem und den kommenden Blogbeiträgen berichten wir über die Vergangenheit und Gegenwart. Seien Sie dabei!
Die längste Autofahrt der Geschichte bis dahin: 46.758 Kilometer auf dem Tacho. 1927 startet die deutsche Unternehmertochter Clärenore Stinnes zusammen mit dem schwedischen Fotografen Carl-Axel Söderström ihre Reise, überquert 23 Länder und kehrt im Juni 1929 nach Berlin zurück.
Clärenore wird im Ruhrgebiet, in Mülheim an der Ruhr in eine wohlhabende Familie hineingeboren. Sie macht ihren Führerschein, bleibt aber nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1924 ohne führende Position im Familienkonzern. Sie zieht nach Berlin und wird Rennfahrerin. Bis zu ihrer Weltumrundung erringt sie 17 Siege mit Autos aus dem Stinnes-Konzern.
Rallyes dienen damals wie heute als Marketinginstrumente. Früher geht es dabei um die Zuverlässigkeit der Autos, nicht um Bestzeiten. Eine erfolgreiche Teilnahme steigert Bekanntheit und Umsatz des Fahrzeugs. Clärenore beweist dies 1925 bei einer Rallye durch die Sowjetunion (Leningrad - Tiflis - Leningrad), wo sie als einzige Frau teilnimmt und gewinnt.
Nun plant sie, die Welt mit einem serienmäßig produzierten Auto zu bereisen. Der Adler Standard 6 der Adler-Werke wird ihr Begleiter. Das Auto hat drei Gänge und 50 PS. Die Sitze lassen sich zum Schlafen umklappen, das ist die einzige Sonderausstattung. In vielen Teilen der Welt sind Benzin und Werkstätten nicht verfügbar, daher stellt ihr die Adler-Werke einen LKW für Benzin, Gepäck, Ersatzteile, Werkzeug und Proviant zur Verfügung. Zwei Automechaniker begleiten sie.
Die Reise ist nicht nur eine Weltrundfahrt, sondern auch eine Werbekampagne für deutsche Qualität. Alle politischen und wirtschaftlichen Größen stehen hinter dieser Aktion. Carl-Axel Söderström filmt die gesamte Strecke für eine Dokumentation, und auch Clärenores Hund ist dabei.
Die Fahrt verläuft nicht immer reibungslos und oft lebensgefährlich. Sie durchqueren unbefestigte Straßen, Wüsten, Eis und Gebirge. Das Auto muss mehrfach repariert werden. Fast alle Autoteile sind betroffen: gebrochene Achsen, leckende Öltanks, platte Reifen und eine defekte Kupplung. Nur der Motor und die Karosserie halten durch – eine bemerkenswerte Leistung! Die Reparaturpausen nutzen die Reisenden für Ausflüge und Aufnahmen.
Am 25. Mai 1927 brechen sie auf und erreichen im Juni 1927 das heutige Edirne in der Türkei. Bereits hinter Prag muss die Kupplung erneuert werden. Die Fahrt durch Vorderasien in der Sommerhitze steht bevor: Aleppo, Beirut, Damaskus, Bagdad. Die syrische Wüste mit 460 km ohne Siedlungen und Wasserquellen wird zur Herausforderung. Nach den ersten 100 km geht der Öltank kaputt, und beim LKW reißt der Benzintank. Bei 50 Grad im Schatten sind Reparaturen kaum möglich.
Von Bagdad geht es über den Kaukasus nach Moskau. Nach unbefahrbaren Pfaden aus Schlamm erreichen sie Moskau mit dem Zug. Der Tacho zeigt nun 10.000 km. Ein Mechaniker steigt krankheitsbedingt aus, die anderen ziehen sich warm an und bereiten sich auf Sibirien vor. Im sibirischen Schlamm bricht die Hinterachse des Standard 6, und neue Autoteile müssen aus Deutschland bestellt werden. Vor der Überquerung des Flusses Sura steigt auch der zweite Mechaniker aus, seine Nerven liegen blank. Clärenore und Söderström sind jedoch nicht immer allein; lokale Dolmetscher stoßen hinzu. Wegen fehlender befahrbarer Wege nehmen sie den Zug bis nach Irkutsk, warten bis die Eisschicht auf dem Baikalsee dick genug ist, und überqueren den See mit Lebensgefahr als erste Fahrzeuge. Bei den sibirischen Wintertemperaturen müssen Zündkerzen im Backofen aufgewärmt und die Ölwanne mit Feuer aufgetaut werden.
Anschließend durchqueren sie die Wüste Gobi in der Mongolischen Volksrepublik. Im März 1928 passieren sie die Chinesische Mauer und erreichen Peking. Mit dem Schiff geht es nach Japan und anschließend mit einem Dampfer nach San Francisco.
Am 25 Mai 1928 feiern sie den Jahrestag ihrer Reise auf Hawaii. Innerhalb eines Jahres haben sie nur die Hälfte der Strecke bewältigt. Wie es weiterging, erfahren Sie in unserem nächsten Beitrag!
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Quellen
- Buch von Richarchd Hemmer & Daniel Meßner "Geschichten aus der Geschichte", 10. Aufl. 2024, Piper Verlag*
- Wikipedia: Clärenore Stinnes
*Erwähnung ohne Auftrag
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